Der im Volksmund gerne als „schwache Blase“ bezeichnete Symptomkomplex aus häufigem Harndrang, unwillkürlich-unfreiwilligem Urinabgang und oftmals nur geringer Urinmenge werden unter dem Oberbegriff der Harninkontinenzsyndrome zusammengefasst.

Definition

Betroffene leiden dabei unter plötzlich und oftmals starken Drang, unmittelbar die Toilette aufsuchen zu müssen und der Unfähigkeit, den Urin genügend halten. Diese zählen ebenfalls untergeordnet zu den allgemeinen Miktionsstörungen (Störungen der Blasenentleerung). Da Reinlichkeit einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert innehält, führt diese Erkrankung nicht selten zu Schamgefühlen, Rückzug und sozialer Isolation. Aufgrund eben jener Gefühle fürchten viele an Inkontinenz leidende Betroffene den Besuch beim Arzt.

Synonyme und artverwandte Begriffe

  • Harninkontinenz, Incontinencia urinae
  • Häufiger Harnabgang: Pollakisurie
  • Übermäßiger Harnabgang: Polyurie
  • Dysregulierter, abnormaler Harnabgang: Dysurie
  • Nächtlicher Harndrang: Nykturie
  • Syndrom der überaktiven Blase, Reizblase

Englisch: Incontinence, overactive bladder syndrome, OAD

Überblick

Der Harn, eine Flüssigkeit, die hauptsächlich körpereigene und –fremde Gift- und Abfallstoffe aus dem Organismus transportiert, entsteht durch differenzierte Filtrations- und Resorptionsprozesse der Blutflüssigkeit (Plasma) im Nierengewebe. Über die paarig angelegten Harnleiter (Ureter) gelangen täglich circa 1,5-2 Liter in die Harnblase (Vesica urinaria), werden dort kurzzeitig zwischengespeichert und ab einem Füllungsvolumen von circa 300 ml über das die Vermittlung von Harndrang aktiv entleert. Dabei gelangt der Urin durch den Harnröhrenschließmuskel (Sphinkter urethrae) in die Harnröhre (Urethra) und über die Öffnung nach außen hin schlussendlich aus dem Organismus. Die Symptomatik der Harnabgangsstörungen und Inkontinenzsyndrome stellt aufgrund ihrer individuellen Ausprägungsmöglichkeiten und Ursachen ein breites Feld in der urologischen Fachmedizin dar.

Ursachen

Die Ursachen des pathologischen Harndrangs und/ oder der Inkontinenz sind genauso individuell verschieden, wie ihr Auftreten: Störungen der Funktionen von Harnblase, Harnröhre, Harnblasenschließmuskel, Beckenbodenmuskulatur, nervaler Versorgung der Harnorgane oder eine vergrößerte Prostata beim Mann können gleichsam Männer und Frauen aller Altersstufen betreffen.
Grob kann man folgende Kategorisierung vornehmen:

  • Syndrom der überaktiven Blase (Reizblase), Dranginkontinenz
  • Belastungs- oder Stressinkontinenz
  • Überlaufinkontinenz bei mechanischer Abflussbehinderung durch strukturelle Einengungen wie Prostatavergrößerung oder Tumorleiden
  • Mischinkontinenz, eine Kombination aus Drang- und Überlaufinkontinenz
  • Reflexinkontinenz bei Dysfunktion der nervalen Steuerung
  • Extraurethrale Inkontinenz im Zuge organischer Fehlbildungen der ableitenden Harnwege
  • Erworbene anatomisch-strukturelle Veränderungen, beispielsweise Gebärmuttersenkung nach Schwangerschaft oder Erschlaffung der Beckenbodenmuskulatur
  • Harnwegsinfekte
  • Prostataentzündung (Prostatitis)

Was Sie selbst tun können

Konsultieren Sie Ihren Arzt, wenn Sie unter häufigem Harndrang mit kleinen Urinmengen, dem Gefühl der unvollständigen Entleerung, Schmerzen beim Wasserlassen oder mangelnder Harnverhaltsfähigkeit leiden. Sollten Sie sich zudem allgemein müde und schlapp fühlen, stellt auch dies die Indikation zu Arztbesuch.

Hilfe durch den Spezialisten

Je nach Art (Spezifität) der Symptomatik kann ausgehend von einem Gespräch mit Ihrem Arzt eine weitere detaillierte Diagnostik bei verschiedensten Fachmedizinern erfolgen.
Hierzu gehören:

  • Urologen
  • Internisten
  • Chirurgen
  • Nephrologen

Was Sie bei Ihrem Arzt erwartet

Bevor Ihr Arzt mit einer Untersuchung beginnt, findet ein einführendes Gespräch (Anamnese) über Ihre aktuellen Beschwerden statt. Im Rahmen dessen befragt er Sie ebenfalls zu zurückliegenden Beschwerden und eventuell bestehenden Erkrankungen.
Mit folgenden Fragen können Sie rechnen:

  • Seit wann leiden Sie unter dieser Symptomatik? Litten Sie bereits schon einmal oder gegebenenfalls gehäuft daran?
  • Wie oft besuchen Sie täglich die Toilette?
  • Hat sich Ihr Toilettengangvehalten im Verlauf der Symptomatik verändert?
  • Haben Sie Schmerzen beim Wasserlassen?
  • Leiden Sie unter weiteren Symptomen?
  • Trinken Sie viel Kaffee oder Alkohol?
  • Sind Sie häufig gestresst?
  • Bestehen aktuelle Vorerkrankungen (beispielsweise des Nieren- oder Harntrakts oder bekannte Herz-/Lungenleiden, Prostataveränderungen) und werden diese therapiert?
  • Sind Sie schwanger oder haben Sie bereits entbunden? Traten bei der Geburt Schwierigkeiten auf?
  • Nehmen Sie aktuell (entwässernde) Medikamente ein?

Untersuchungen (Diagnostik)

Ausgehend von Ihrer in der vorangegangenen Anamnese erhobenen Symptomcharakteristik und Ihrem aktuellen Befinden kann der Arzt nun folgende Diagnostik anwenden:

  • Urinuntersuchung
  • Blutuntersuchung
  • Ultraschalluntersuchung
  • Blasendruckmessung (Zystometrie oder Zystomanometrie)
  • Röntgenbild-Darstellung des Harnabflusses nach Einfüllen von Kontrastmittel in die Harnblase; der Patient wird dabei zum Husten aufgefordert.
  • Blasenspiegelung (Zystoskopie)
  • ggf. Kontrolle der Herzfunktion

Behandlungen (Therapie)

Je nach dem, welche diagnostizierte Ursache Ihrem gehäuften Harndrang zu Grunde liegt, wird auch die therapeutische Behandlung erfolgen. Im Zuge dessen wird sich Ihr Arzt mit Ihnen eingehend besprechen, um eine geeignete Therapiemöglichkeit finden.
Bei allgemeiner, nicht akut krankheitsbedingter Harninkontinenzsymptomatik sollten Sie in Zusammenarbeit mit Ihrem behandelnden Arzt stets versuchen, durch gezieltes Harnverhalttraining eine Sensibilisierung und muskuläre Kräftigung ihrer Beckenbodenmuskulatur zu erreichen.
Bei stressgekoppelter Harnverhaltensstörung kann ein psychologisch-psychotherapeutischer Interventionsansatz hilfreich sein. Hierzu kann Ihnen Ihr Arzt gegebenenfalls eine Empfehlung aussprechen.

Medikamentös kann Ihr Arzt begleitend folgende Therapeutika einsetzen:

  • Bei Harnwegsinfekten, bzw. Prostatitis beim Mann, werden ursächlich Antibiotika eingesetzt
  • Anticholinergika, sowie Spasmolytika – diese reduzieren die Kontraktionsfähigkeit der Muskulatur
  • Östrogene bei weiblichen Betroffenen
  • α-Rezeptorblocker zur Entspannung der Prostatamuskulatur bei Männern

Vorbeugung (Prophylaxe, Prävention)

Vermeiden Sie blasenreizende Substanzen wie Alkohol oder Kaffee, die zudem noch die Urinmengenproduktion erhöhen. Achten Sie auf eine regelmäßige Blasenentleerung.

Prognose

Die Prognose ist abhängig von der Ursache des Harndrangs, bzw. der Harninkontinenz. Moderne operative Verfahren bei schweren Fällen von Inkontinenz haben gute Erfolgsaussichten. Allerdings kann es nach Jahren wiederum zu einer Verschlechterung kommen.

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