Kompetenzzentrum für Hämatologie und Immunologie informiert: Bluterkrankheit (Hämophilie)

Definition Bluterkrankheit (Hämophilie)

Laut Hämatologen ist ein Defekt auf dem X Chromosom für die Krankheit verantwortlich

Fachärzte für Hämatologie unterscheiden bei der Bluterkrankheit (Hämophilie) zwischen:

  • Hämophilie A: Ursache ist ein vererbter Mangel oder eine gestörte Aktivität des Gerinnungsfaktors VIII
  • Hämophilie B: Der Gerinnungsfaktor IX fehlt oder seine Aktivität ist verringert

Die Hämophilie A tritt am häufigsten auf. Daneben gibt es noch weitere Formen, die jedoch von Hämatologen nur äußerst selten diagnostiziert werden. Die Bluterkrankheit (Hämophilie) wird in der Regel vererbt und führt zu einer Störung der Blutgerinnung. Menschen, die daran erkrankt sind, neigen zu unstillbaren Blutungen nach Verletzungen.

Durch Autoimmun- oder Krebserkrankungen kann die Bluterkrankheit (Hämophilie) auch spontan ausgelöst werden. Außerdem vermuten Fachärzte für Hämatologie einen Zusammenhang mit einer Schwangerschaft oder der Einnahme bestimmter Medikamente. Von der spontan erworbenen Bluterkrankheit (Hämophilie) sind Männer und Frauen gleichermaßen betroffen. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, spontan zu erkranken, sehr gering. Auf eine Million Einwohner kommen etwa ein bis zwei Patienten. Dagegen sind es bei der Hämophilie A hundert Patienten.

Die Bluterkrankheit (Hämophilie) ist eine Erbkrankheit, die von Hämatologen hauptsächlich bei Jungen und Männern diagnostiziert wird. Bei Frauen tritt sie sehr selten auf.

Betroffene haben eine gestörte Blutgerinnung, d.h. der Schutzmechanismus des Körpers funktioniert nicht, um kleinere und mittlere Wunden zu verschließen. Bei Verletzungen oder  einer spontanen Blutung gerinnt das Blut bei ihnen nicht oder nur sehr langsam.

Die Blutgerinnung ist ein komplexer Prozess, der in mehreren Phasen verläuft und das Verbluten des Menschen verhindert. Dafür müssen verschiedene Gerinnungsfaktoren zusammenspielen. Der Mensch verfügt über 13 solcher Faktoren, die von Hämatologen mit den Ziffern I bis XIII bezeichnet werden.

Typische Symptome der Bluterkrankheit (Hämophilie) sind:

  • Betroffene bekommen besonders leicht blaue Flecken (Hämatome)
  • Nach Verletzungen sind die Blutungen schwer zu stillen
  • In den Gelenken kommt es zu Einblutungen
  • Blutungen kommen anfangs zum Stillstand, beginnen aber nach Stunden oder Tagen erneut
  • Nach einem Stoß oder Unfall kommt es zu ausgedehnten Muskelblutungen
  • Spritzen in den Muskel führen zu schweren Muskelblutungen

Synonyme und artverwandte Begriffe

Synonyme: angeborener genetischer Defekt
Englisch: hemophilia

Überblick

Jeder Mensch besitzt 46 Chromosomen, die Träger der Erbinformation sind. Die Hälfte gibt die Mutter an das Kind weiter, die andere Hälfte der Vater. 44 Chromosomen, die Autosomen, liegen paarweise vor. Jede Erbinformation ist damit doppelt vorhanden. Bei den anderen beiden Chromosomen handelt es sich um die Geschlechtschromosomen X und Y, die Gonosomen.

Während Frauen zwei X-Chromosomen besitzen, haben Männer ein X- und ein Y-Chromosom. Fachärzte für Hämatologie machen als Ursache der Bluterkrankheit (Hämophilie) einen Fehler auf dem X-Chromosom aus. Frauen haben in der Regel noch ein „gesundes“ X-Chromosom. Deshalb wird die Bluterkrankheit (Hämophilie) von Hämatologen vor allem bei Jungen und Männern festgestellt, während Frauen meist nur Überträgerinnen sind – ohne das zu wissen.

Bestimmte Faktoren im Blut bewirken, dass es nach einigen Minuten gerinnt. Fehlen diese Gerinnungsfaktoren, können Verletzungen zu einem größeren Blutverlust führen. Und schon bei kleinen Prellungen haben Betroffene große Blutergüsse, weil das Blut erst nach einiger Zeit gerinnt. Bei einer gestörten Blutgerinnung kann auch die bereits gebildete Blutkruste wieder aufbrechen, sodass die Blutung nur langsam oder gar nicht zum Stillstand kommt.

Die ersten Symptome stellen Hämatologen bereits bei Kindern im Krabbelalter fest, weil sie schon bei kleinen Stößen ausgedehnte blaue Flecken bekommen. Auch Nachblutungen nach einer Blutabnahme oder nach einer Impfung sind schon im ersten Lebensjahr zu beobachten, sodass Eltern mit ihren Kindern unbedingt einen Facharzt für Hämatologie aufsuchen sollten.

Als Hauptproblem machen Hämatologen jedoch Blutungen in die großen Gelenke aus, z.B. in Ellbogen-, Knie- und Sprunggelenke. Das ist nicht nur schmerzhaft, sondern kann – wenn es vom Facharzt für Hämatologie nicht behandelt wird – zu bleibenden Gelenkschädigungen führen oder sogar zur völligen Zerstörung der Gelenke. Verletzungen der Muskulatur können ebenfalls weitreichende Folgen haben. Bei inneren Blutungen oder Blutungen im Kopf- und Hirnbereich besteht sogar Lebensgefahr.

Ursachen der Bluterkrankheit (Hämophilie)

Die Bluterkrankheit (Hämophilie) zählen Hämatologen zu den Erbkrankheiten. Ausgelöst wird sie durch einen Defekt auf dem X-Chromosom, das die Informationen der Gerinnungsfaktoren enthält. Der Defekt wird rezessiv vererbt, d.h., dass er nur zum Tragen kommt, wenn kein zweites X-Chromosom mit der richtigen Information vorliegt. Deshalb diagnostizieren Fachärzte für Hämatologie die Bluterkrankheit (Hämophilie) fast ausschließlich bei Männern, weil sie kein zweites X-Chromosom haben. Wenn Frauen davon betroffen sind, haben sie ein defektes X-Chromosom sowohl von ihrer Mutter als auch von ihrem Vater vererbt bekommen. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch sehr gering. Frauen können jedoch Trägerinnen der Bluterkrankheit (Hämophilie) sein und das defekte Gen an ihre Kinder vererben. Meistens wissen sie nichts davon.

Die Bluterkrankheit (Hämophilie) macht sich bereits in den ersten Lebensmonaten bemerkbar. Wenn Ihr Kind unnatürlich stark oder lange blutet, sich kleine Wunden kaum oder überhaupt nicht von selbst schließen, sollten Sie umgehend einen Facharzt für Hämatologie aufsuchen.

Was Sie bei der Bluterkrankheit (Hämophilie) selbst tun können

Wer von Geburt an Bluter ist, sollte sich regelmäßig vom Facharzt für Hämatologie behandeln lassen. Außerdem ist es wichtig, sich nicht unnötig hohen Verletzungsrisiken auszusetzen, um keine Blutungen zu provozieren. Betroffene sollten auch darauf achten, die Blutgerinnung nicht noch weiter zu schwächen. Wirkstoffe wie Acetylsalicylsäure setzen die Blutgerinnung herab. Ihr Facharzt für Hämatologie wird mit Ihnen ausführlich besprechen, welche Medikamente Sie nicht einnehmen sollten.

Hilfe durch den Spezialisten

Je nach Spezifität der Symptomatik kann ausgehend von einem Gespräch mit Ihrem Arzt eine weitere detaillierte Diagnostik bei verschiedensten Fachmedizinern erfolgen. Hierzu gehören:

  • Hämatologen
  • Chirurgen

Was Sie bei Ihrem Arzt für Hämotologie erwartet

Bevor Ihr Arzt für Hämatologie mit einer Untersuchung beginnt, findet ein einführendes Gespräch (Anamnese) über Ihre aktuellen Beschwerden statt. Im Rahmen dessen befragt er Sie ebenfalls zu zurückliegenden Beschwerden und eventuell bestehenden Erkrankungen.

Mit folgenden Fragen können Sie rechnen:

  • Seit wann bestehen die Symptome?
  • Können Sie eine genaue Charakterisierung und gegebenenfalls Lokalisation vornehmen?
  • Haben sich im Verlauf der Symptomatik Veränderungen ergeben?
  • Leiden Sie unter zusätzlichen Symptomen wie beispielsweise Atemnot, Schmerzen in der Brust, Schwindelgefühle
  • Litten Sie schon einmal daran und sind diese Anzeichen familiär aufgetreten?
  • Bestehen aktuell Vorerkrankungen oder Erbkrankheiten und werden diese therapiert?
  • Nehmen Sie aktuell Medikamente ein?
  • Sind Ihnen Allergien bekannt?
  • Leiden Sie unter Stresszuständen im Alltag?

Welche Medikamente nehmen Sie regelmäßig ein?

Ihr Facharzt für Hämatologie benötigt eine Übersicht der Arzneimittel, die Sie regelmäßig einnehmen. Stellen Sie schon vor dem Arztbesuch bei Ihrem Hämatologen eine Übersicht über die Medikamente, die Sie einnehmen, in einer Tabelle zusammen. Eine Vorlage für die Übersicht finden Sie hier.

Untersuchungen (Diagnostik) durch den Hämatologen

Der Hämatologe untersucht die Bestandteile des Blutes

Ausgehend von der in der vorangegangenen Anamnese erhobenen Symptomcharakteristik und dem aktuellen Befinden kann der Facharzt für Hämatologie nun folgende Diagnostik anwenden:

  • Blutuntersuchung
  • Gerinnungstests

Der Hämatologe nimmt dem Patienten zunächst Blut ab.

Danach werden in einer Laboruntersuchung die einzelnen Bestandteile des Blutes bestimmt. Von besonderer Bedeutung ist die Anzahl der Thrombozyten (Blutplättchen), denn eine unkontrollierte Blutgerinnung kann zu einem erhöhten Thrombozytenverbrauch führen. Für Hämatologen ist das ein Hinweis auf die Bluterkrankheit (Hämophilie). Weiterführende Untersuchungen können sich anschließen.

Behandlungen (Therapie)

Eine Heilung der Bluterkrankheit (Hämophilie) ist bislang noch nicht möglich. Durch eine entsprechende Behandlung (Therapie) können Fachärzte für Hämatologie den Betroffenen  jedoch ein weitgehend normales Leben ermöglichen. Dazu muss der fehlende oder defekte Gerinnungsfaktor ersetzt werden. Hämatologen stehen verschiedene Faktorenkonzentrate zur Verfügung, je nachdem, ob es sich um eine Hämophilie A oder um eine Hämophilie B handelt.

Die entsprechenden Gerinnungsfaktoren werden intravenös injiziert. Die Gabe der VIII- und IX-Konzentrate nimmt entweder der Facharzt für Hämatologie vor oder der Patient selbst, nachdem er darin geschult wurde. Wie oft die Injektion erfolgen muss, entscheidet der behandelnde Hämatologe bei jedem Patienten individuell. Bei Kindern, die in der Regel stärker gefährdet sind als Erwachsene, kommt eine Behandlung (Therapie) zwei- bis dreimal in der Woche infrage. Die eingesetzten Gerinnungsfaktoren werden entweder aus Spenderblut hergestellt oder gentechnisch.

Neben der Dauertherapie gibt es auch eine Bedarfsbehandlung (On-Demand-Behandlung). Fachärzte für Hämatologie spritzen den betroffenen Patienten die Gerinnungsfaktoren nur bei Bedarf, z.B. bei akuten Blutungen oder vor einer Operation.

Vorbeugung (Prophylaxe, Prävention)

Für Patienten, die an der Bluterkrankheit (Hämophilie) leiden, ist eine vorbeugende Prophylaxe sehr wichtig, damit die Mindestaktivität der Gerinnungsfaktoren im Blut gewährleistet ist. Die Behandlung (Therapie) durch den Hämatologen sollte bereits im Kindesalter beginnen, nachdem die ersten Symptome aufgetreten sind. Etwa zwei- bis dreimal pro Woche wird das Gerinnungsfaktorkonzentrat vom Facharzt für Hämatologie in die Vene des Kindes injiziert. Dadurch kann eine Blutung verhindert und Folgeschäden – vor allem an den Gelenken – können vermieden werden.

Prognose

Die Bluterkrankheit (Hämophilie) kann bisher nicht geheilt werden. Die Behandlung (Therapie) des Facharztes für Hämatologie zielt darauf ab, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

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